Scharfe Kritik am geplanten A20-Bau

NEUSTADT. Allgemeine Kritik am Bundesverkehrswegeplan, fehlende Dokumentation bei der Prüfung und eine nicht nachvollziehbare Nutzen-Kosten-Analyse – die Liste an Vorwürfen zum geplanten A20-Bau, die der Gutachter Wulf Hahn am Montagabend im Dorfgemeinschaftshaus Neustädter Hof äußerte, war lang. Dort hatte die GRÜNE Bundestagskandidatin Christina-Johanne Schröder zu einer Informationsveranstaltung eingeladen. Neben dem Gutachter der Fachagentur RegioConsult kam auch Kirsten Erwentraut zu Wort. Die vom geplanten Autobahnbau Betroffene berichtete vom aktuellen Stand des Gerichtsverfahrens.

„Wir GRÜNE lehnen den Bau der A20 ab. Sie ist das klimaschädlichste Projekt im Bundesverkehrswegeplan, denn sie zu einem großen Teil durch intakte Moore, die eine wichtige Rolle bei der Bindung von CO2 einnehmen“, machte die Bundestagskandidatin Christina-Johanne Schröder klar. Für sie müssen alle zukünftigen Maßnahmen des Bundesverkehrswegeplan auf ihre Klimaschädlichkeit überprüft werden.

Kirsten Erwentraut, Christina-Johanne Schröder und Wulf Hahn

Das sei aus Sicht des Gutachter Wulf Hahn allerdings bisher nicht ausreichend geschehen. Er zeigte den rund 50 Anwesenden bei der Infoveranstaltung die aus seiner Sicht gravierenden Mängel und Defizite bei der Planung des Projekts auf. „Das Verkehrsministerium hat zwischen Entwurf und Beschlussfassung durch den Gutachter IVV erhebliche Änderungen der Verkehrsbelastungen vornehmen lassen“, sagte er, während er die für das Jahr 2030 prognostizierten Zahlen zur Nutzung der A20 vorstellte. Noch im März 2016 wurde für den in der Wesermarsch gelegenen Abschnitt zwischen Jaderberg und Schwei mit einem Verkehrsaufkommen von 13.000 Fahrzeugen am Tag geplant. Rund fünf Monate später, im August 2016, waren es dann 24.000, was einer Differenz von 11.000 Fahrzeugen entspricht. Auch für andere Abschnitte seien die Prognosen angehoben worden.

Aus Sicht des Diplom-Geographen steckt hinter diesem Vorgehen ein Plan: „Die Änderungen sollen das Projekt als sinnvoll erscheinen lassen.“ Wulf Hahn kritisierte neben den Schätzungen zum Verkehrsaufkommen auch die Berechnungen zur Klimawirksamkeit. Die Nutzen-Kosten-Analyse sei nicht nachvollziehbar und vernachlässige zudem zahlreiche nicht monetarisierte Umweltkriterien.

Dass das Projekt nicht nur die Umwelt, sondern auch die betroffenen Menschen belaste, verdeutlichte die Jaderin Kirsten Erwentraut. Sie ist als Anwohnerin vom Projekt betroffen und klagt nun als Teil der Bürgerinitiative „A20 NIE!“ gemeinsam mit anderen gegen das Projekt vor dem Bundesgerichtshof in Karlsruhe. Den Vorwurf, dass Umweltverbände oftmals nur gegen etwas klagen würden, um Zeit zu schinden, lasse sie nicht gelten: „Die Kosten für den Prozess sind sehr hoch und kein Umweltverband klagt ohne Aussicht auf Erfolg.“ Dass die Gegenseite aufgrund von nicht rechtskonformen Planungen zwischenzeitlich ein Aussetzen des Gerichtsverfahrens beantragt hatte, zeige deutlich, dass es durchaus Chancen auf Erfolg gibt. Dennoch machte sie auch die ungleichen Kräfteverhältnisse der Streitparteien deutlich: „Auf der einen Seite sitzen zwei Anwälte, zwei Kläger und zwei Unterstützer, auf der anderen 30 Gutachter und Anwälte.“ Die sind zudem durch Steuergelder finanziert, während sich die Kläger mit Mitteln aus dem Schutz- und Klagefonds begnügen müssen.

Im Laufe der Veranstaltung stellten zahlreiche Bürgerinnen und Bürger fragen an die Rednerinnen und Redner und es kam zu regen Diskussionen, bei denen weitere Betroffene von ihren Erfahrungen berichteten. Die Bundestagskandidatin Christina-Johanne Schröder, die aufgrund ihres Listenplatzes voraussichtlich in das Parlament einziehen wird, versprach den Anwesenden gegen den Bau der A20 einzustehen. „Dafür bitte ich um ihre Stimme. Wir als starke GRÜNE können dieses Wahnsinnsprojekt beenden. Denn ich hoffe, dass wir uns in Zukunft nicht öfter zu diesem Anlass treffen müssen.“

Hinweis: Wer dem Schutz und Klagefonds beitreten möchte, findet alle Informationen unter https://www.a20-nie.de/schutz-klagefonds.php