Erinnern – oder lieber nicht?

Am 27. Januar wird sich auch in diesem Jahr wieder der Holocaust Gedenktag jähren, dazu die Gedanken der Kreissprecherin der Wilhelmshavener Grünen Elisabeth Özge:

Ist es schon 78 Jahre her oder erst? Müssen wir darüber immer noch reden? Irgendwann muss es ja mal gut sein, sagen viele. Ich will das nicht mehr hören, und sehen schon gar nicht. Was kann ich dafür? Mich gab‘s da doch noch gar nicht…

Elisabeth Özge, Kreissprecherin Grüne Wilhelmshaven

Und ich sage: Doch! Wir müssen erinnern, immer wieder und in aller Deutlichkeit.

In der Proklamation vom 03.Januar 1996 wurde der 27. Januar zum bundesweiten Gedenktag des Holocaust bestimmt. Bundespräsident Roman Herzog sagte damals:

„Die Erinnerung darf nicht enden, sie muss künftige Generationen zur Wachsamkeit mahnen. Es ist deshalb wichtig, nun eine Form des Erinnerns zu finden, die in die Zukunft wirkt. Sie soll Trauer über Leid und Verlust ausdrücken, dem Gedenken an die Opfer gewidmet sein und jeder Gefahr der Wiederholung entgegenwirken.“

Als die rote Armee am 27.01.1945 einen kleinen polnischen Ort – Oświęcim – (bei uns bekannt als Auschwitz) erreichte waren selbst diese Soldaten, die auf ihrem Weg schon viele Grausamkeiten erleben mussten, entsetzt. Im Konzentrationslager fanden sie Menschen, die laufenden Gerippen glichen, sofern diese überhaupt noch laufen konnten, viele waren dem Tod so nah, dass sie die Baracken schon gar nicht mehr verlassen konnten. In notdürftig ausgehobenen Gruben waren die Leichen der Ermordeten wie Müll entsorgt worden. Die Menschlichkeit war schon lange gestorben.

Laut Statista und Lemo starben in diesem und ähnlichen Vernichtungs-Lagern:

6.000.000 Menschen, weil sie Juden waren.

500.000 Menschen, weil sie Sinti oder Roma waren.

250.000 Menschen, die Bewohner einer Behinderteneinrichtung waren.

3000 – 15.000 Menschen, weil sie homosexuell waren.

Mindestens 1900 Menschen, weil sie Zeugen Jehova waren.

Gedenkstein KZ „Banter Lager IV“

Nicht detailliert aufgeführt sind die Millionen anderen Opfer dieses Wahnsinns, laut Lemo hat der Zweite Weltkrieg aber 71 – 75 Millionen Menschen sinnlos das Leben gekostet. Was mehr als 1.300 Toten pro Stunde Zweitem Weltkrieg entspricht.

Ich habe in den letzten Jahren die Auftritte einiger Holocaust – Überlebender gehört und gesehen, sowie deren Biografien gelesen. So zum Beispiel Charlotte Knobloch im Bundestag mit einer ergreifenden Rede, das Leben von Marcel Reich-Ranicki oder Hans Rosendahl, um nur einige zu nennen.

Ganz besonders beeindruckt hat mich der Besuch von Hanni Levy auf einer Bundesdelegiertenkonferenz unserer Grünen Partei, sie war da schon weit über 80. Frau Levy strahlte so viel Kraft und Würde aus, sie machte in ihrer Rede keine Vorwürfe an die Menschen, die heute in Deutschland leben. Sie sagte aber auch, was so viele schon forderten:

„Ihr seid nicht verantwortlich für das, was geschehen ist. Aber ihr seid verantwortlich dafür zu sorgen, dass es sich niemals wiederholt.“

Besser lässt sich nicht zusammenfassen welche Aufgabe wir zu erfüllen haben: Nicht vergessen, sondern erinnern. Immer wieder, solange es auch nur einen Menschen gibt, der ideologisch hasst.