Pogromnacht

Sechs Millionen ermordete Menschen, sechs Millionen Namen, sechs Millionen Schicksale. Zerstörte Hoffnungen, zerstörte Leben.
Es begann am 30. Januar 1933, als der Wahlsieg Adolf Hitlers mit einem gigantischen Fackelmarsch durch das Brandenburger Tor gefeiert wurde. Unzählige Hakenkreuzfahnen wurden geschwenkt, die Menge tobte.

Noch hofften jüdische Menschen auf ein baldiges Ende. Noch glaubten sie an die guten, kultivierten Deutschen, das waren doch immer anständige Menschen. Das Volk der Dichter und Denker.

Auch die ersten Sanktionen wurden hingenommen. „Kauft nicht bei Juden“, „Hier haben Juden keinen Zutritt“, „Juden haben auf unserer Schule nichts zu suchen“ und so weiter, und so fort. Noch herrschte die Hoffnung: das geht vorbei.

Dann kam der 9. November 1938, ein ganz normaler Mittwoch. Dachten die meisten Menschen.

Die Familien saßen vielleicht gerade am Abendbrottisch, die Gläubigen mit koscheren Speisen, andere vielleicht etwas freier, und freuten sich, dass trotz des um sich greifenden Hasses alle Familienmitglieder gesund nach Hause gefunden haben. Wahrscheinlich sprachen sie über die kleinen Wichtigkeiten des Tages, wie war die Schule und wie lang die Schlange beim Lebensmittelhändler.

Dann: Lärm, Gegröhle, hunderte Stimmen die judenfeindliche Parolen skandieren, dann klirrt es überall. Steine werden durch die Fenster geworfen bevor völlig fremde Menschen – und teilweise auch erschreckend bekannte Gesichter – beginnen die Türen einzutreten. Hasserfüllter Pöbel dringt in die, als sicher geglaubten, eigenen vier Wände ein. Zerschlagen Gläser und Geschirr, zerstören Möbel, Bilder und andere Einrichtungsgegenstände und schlagen brutal auf die Menschen ein.

Wahrscheinlich fliehen viele auf die Straßen, wohl immer noch mit einem Rest Hoffnung, dass irgendjemand hilft, um dann festzustellen: Das geschieht nicht. Die wenigen die nicht zuschlagen trauen sich nicht zu helfen.

Synagoge Wilhelmshaven

Als Ziel fällt den Fliehenden vielleicht dann die Synagoge ein. Ihr Gotteshaus das Zuflucht bieten soll. Doch diese Zuflucht steht in Flammen. Feuerwehr und Polizei sehen tatenlos zu und schützen bestenfalls die umliegenden Häuser. Niemand hilft. Nicht hier in Wilhelmshaven und nicht bei 1405 anderen Synagogen in Deutschland.

In dieser Nacht werden 1406 Synagogen und Gotteshäuser der jüdischen Gemeinden zerstört. 1300 Menschen werden ermordet, einfach erschlagen, weil sie jüdisches Blut haben, Zehntausende verletzt. Insgesamt werden nur in dieser Nacht ungefähr 30.000 Menschen verhaftet und in Konzentrationslager verschleppt. Nur weil sie Juden sind.

Diese Nacht hat Deutschland verändert. Hass und Menschenverachtung waren gewollt und gewünscht, Mitgefühl und Menschlichkeit verpönt. Diese Nacht war die Eröffnung zu millionenfachem Mord und zu unglaublichen, sadistischen Misshandlungen. Wer dieses perfide Geschehen nicht unterstützen wollte, war ab sofort in extremer Gefahr.

Synagoge Jever

Wir erleben gerade ein Wiedererwachen solchen rechtsextremen Gedankenguts. Menschen werden wieder angegriffen, weil sie eine Kippa tragen oder eine Kette mit einem Davidstern als Anhänger.

Wir alle sind dringend aufgefordert diesem Geschehen Einhalt zu gebieten. Es reicht schon lange nicht mehr aus „NIE WIEDER“ nur zu sagen oder zu denken. Wir alle sind gefordert überall gegen Fremdenfeindlichkeit und Antisemitismus einzuschreiten. Wir dürfen nicht stillschweigend die Hetze der Populisten hinnehmen. Wir müssen auch kommende Generationen darüber aufklären, wohin solche Tendenzen führen. Die wenigen verbliebenen Zeitzeugen können nicht mehr lange berichten. Es mag vielleicht pathetisch klingen, aber:

Lasst uns Zeugen der Zeitzeugen sein und deren Erfahrungen weitergeben an unsere Kinder und Enkelkinder. Denn, für wehret den Anfängen ist es schon lange zu spät. Jetzt heißt es: Stoppt was da ins Rollen gekommen ist.

Shalom, eure Elisabeth

Gedenkstelen mit Namen der Holocaust Opfer aus Wilhelmshaven

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 


Am 9. November findet in Wilhelmshaven die nächste Gedenkveranstaltung an die Reichspogromnacht 1938 statt.

Um 18.00h findet in der Kirche St. Willehad ein Abendgebet statt, mit anschließendem Schweigegang zum Synagogenplatz

Ab 19.00h die Gedenkveranstaltung auf dem Synagogenplatz