WIE BARRIEREFREI IST WILHELMSHAVEN?

Grüne Europa-Abgeordnete Katrin Langensiepen besuchte die Jadestadt und redete mit Bürgerinnen und Bürgern

Die gute Nachricht: In der Innenstadt kommt man in einem Standardrollstuhl mit genügend Muskelkraft so ziemlich überall hin. Aber mit größeren elektrischen Rollstühlen und außerhalb der Fußgängerzone gibt es noch viele Baustellen. Und für Menschen, die sehr schlecht sehen oder hören, wird wenig getan.

Katrin Langensiepen (MdEP)
Katrin Langensiepen (MdEP)

Für Jochen Haake aus Schortens, der für weitere Strecken einen Rollstuhl benutzt, waren die Wege anstrengend, aber machbar. „Die Rampe zwischen Parkstraße und Rambla ist für einen Rollstuhl sehr steil, zum Glück aber ziemlich kurz“, berichtet Haake. „Zwischen Nordseepassage und Bahnhof fehlen automatische Türöffner, und ich musste dreimal gegen die Tür fahren, bis ich durchkam. Die Rampe zum Bahnsteig ist auch zu schaffen, allerdings nur mit einer gewissen Kondition. Die Anstrengung ist vergleichbar mit Treppensteigen bis in den dritten Stock.“

Bei ihrem Spaziergang bzw. ihrer Spazierfahrt durch die Innenstadt am Freitag erfuhren Haake, die Grüne Europa-Abgeordnete Katrin Langensiepen und Alex von Fintel als Vorstandsmitglied der Grünen Wilhelmshaven vieles über andere Probleme in der Stadt. Eine Frau mit Rollator erzählte, dass sie schon zweimal vorwärts über den Rollator gefallen sei, als die Räder in der Rinne zwischen Bürgersteig und Asphaltdecke stecken geblieben sind. Häufig seien außerdem die Wege von der Bushaltestelle bis zur nächsten Absenkung im Bürgersteig ziemlich weit. Dies könnte die Stadt bedenken, wenn sie die Bushaltestellen erhöht.

Alex von Fintel
Alexander von Fintel

„Bei Barrierefreiheit wird immer zuerst und häufig nur an Rollstuhlfahrende gedacht, dabei gibt es viele Formen der Beeinträchtigung“, erklärt Katrin Langensiepen MdEP, sozialpolitische Sprecherin der Grünen im Europaparlament. „Für mich sind Treppen kein Problem, bei Fahrkarten- oder Geldautomaten habe ich aufgrund meiner Größe und meiner Arme dagegen schon mal Probleme. Die Fahrkartenautomaten sind zudem häufig alles andere als selbsterklärend. Wer eine Leseschwäche hat, könnte sich leicht überfordert fühlen.“ Wie die meisten Städte in Deutschland biete Wilhelmshaven zwar eine weitestgehend rollstuhlgerechte Innenstadt – Schilder in Braille oder Führungshilfen im Pflaster für das Laufen mit Blindenstock wurden beim Rundgang dagegen nicht entdeckt.

Für die Grünen in Wilhelmshaven geht es bei der Barrierefreiheit zuerst um das Recht auf Teilhabe. Man sieht aber auch Chancen für die Wirtschaft, insbesondere für den Tourismus. „Mit einer Behinderung ist es in der Regel einfacher in der Stadt unterwegs zu sein als auf dem Land. Als die größte Stadt direkt an der Nordsee hat Wilhelmshaven viel zu bieten, es muss aber allen zugänglich gemacht werden,“ sagt von Fintel. „Die Barrierefreiheit sollte ein Schwerpunkt der Investitionen aus dem Strukturhilfefonds sein. Mit durchdachter barrierefreier Infrastruktur in Sachen Hotelzimmer, Gastronomie, Einzelhandel und Freizeitangebote hätte Wilhelmshaven ein wirkliches Alleinstellungsmerkmal. Und wir würden ein Klientel ansprechen, dass sich weniger am Fehlen eines Sandstrandes stört.“

Beitragsbild v.l.: Alex von Fintel, Jochen Haake, Katrin Langensiepen