GRÜNE laden zum Runden Tisch zur Reform des verfassungswidrigen Abstammungsrechts

Am heutigen Tag, dem 5. Mai 2021, hat die Grüne Bundestagsfraktion alle demokratischen Fraktionen zu einem Runden Tisch eingeladen, um interfraktionell an einer Reform des verfassungswidrigen Abstammungsrechts zu arbeiten, die noch vor dem Ende der Legislaturperiode verabschiedet werden könnte.

 

Ulle Schauws
Ulle Schauws (MdB | Sprecherin für Frauenpolitik | Sprecherin für Queerpolitik) Foto: Ulle Schauws

Dazu erklärt Ulle Schauws, Sprecherin für Queer- und Frauenpolitik der grünen Bundestagsfraktion:

„Wir brauchen dringend die Abschaffung der verfassungswidrigen Diskriminierung von Regenbogenfamilien, die in erster Linie die Kinder benachteiligt. Wie vor vier Jahren im Falle der „Ehe für Alle“ sind dafür ein interfraktioneller Konsens und die Freigabe der Abstimmung im Bundestag nötig.

Deswegen freue ich mich sehr, dass alle demokratischen Fraktionen – mit Ausnahme der Union – ihre Teilnahme an dem Runden Tisch angekündigt haben. Damit entsteht die einmalige Chance, mit einer parlamentarischen Mehrheit die Benachteiligung von Regenbogenfamilien und insbesondere von Kindern im Abstammungsrecht abzuschaffen.“

 

Hintergrundinformationen:

Mit dem Gesetz zur „Ehe für Alle“ hat der Gesetzgeber 2017 die Ungleichbehandlung gleichgeschlechtlicher Paare gegenüber heterosexuellen Paaren im Eherecht beseitigt. Mit der Änderung des Personenstandsgesetzes hat der Deutsche Bundestag 2019 auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes reagiert und eine dritte Option beim Geschlechtseintrag („divers“) geschaffen. Hinsichtlich beider Gesetzesänderungen fehlen bislang Folgeregelungen bezüglich der Elternschaft.

Für Kinder, die in eine Ehe von Mann und Frau hineingeboren werden, ist der Ehemann der Mutter der zweite rechtliche Elternteil des Kindes. Bei nichtverheirateten Paaren kann ein Mann die Vaterschaft anerkennen. Beide Zuordnungsregeln gelten auch für den Fall, dass das Kind mittels Samenspende eines Dritten gezeugt wurde, sind also unabhängig von der biologischen Abstammung.

Kinder, die in queere Paarkonstellationen hineingeboren werden, haben nach dem geltenden Recht nur einen Elternteil, die Mutter. Weder die Ehefrau der Mutter noch eine intergeschlechtliche Person können bislang qua Ehe oder Anerkennungserklärung der zweite rechtliche Elternteil des Kindes werden.

An die rechtliche Eltern-Kind-Zuordnung sind fast alle Elternrechte und -pflichten gebunden. Sorgerecht, Erbrecht, Unterhaltsrecht – dies alles richtet sich für das Kind nach der rechtlichen Beziehung zu seinen Eltern. Die fehlenden rechtlichen Beziehungen eines Kindes zu einem Elternteil benachteiligen das Kind und schaffen Rechtsunsicherheit für alle Beteiligten.

Regenbogenfamilien müssen bislang das Verfahren der sog. Stiefkindadoption durchlaufen. Dass Kinder, die in queere Lebensgemeinschaften hineingeboren werden, nur im Wege eines langwierigen und aufwendigen Gerichtsverfahrens und unter Begutachtung durch das Jugendamt oder die Adoptionsvermittlungsstelle einen zweiten rechtlichen Elternteil erlangen können, halten das Oberlandesgericht Celle und das Berliner Kammergericht für verfassungswidrig. Sie haben kürzlich zwei entsprechende Verfahren ausgesetzt und die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt.

Die Abschaffung der verfassungswidrigen Diskriminierung von Regenbogenfamilien wurde bereits 2016 vom 71. Deutschen Juristentag und 2017 vom beim Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz eingerichteten Arbeitskreises Abstammungsrecht gefordert. 2018 hat die Grüne Bundestagsfraktion dazu einen Gesetzentwurf vorgelegt, der mit Stimmen der Union, der SPD und der FDP leider abgelehnt wurde. Auch der aktuelle 9. Familienbericht des Bundesfamilienministeriums enthält diese Forderung.