Es wäre vermessen zu erwarten, dass wir ungeschoren aus dieser Finanzkrise herauskommen.

Rede von Michael von den Berg (Sprecher der Ratsgruppe GUS | Fraktion GRÜNE) zum Haushalt 2021/2022 der Stadt Wilhelmshaven

Woher nehmen wenn nicht sparen?

Oft wurden in Reden zum Haushalt Zitate benutzt, nun möchte auch ich mich dieser Tradition erstmalig hingeben.

„Die Phönizier haben das Geld erfunden, warum bloß so wenig?“

Dieses Zitat stammt von Johann Nestroy.

 

Michael von den Berg
Michael von den Berg, Ratsmitglied der GRÜNEN Fraktion im Stadtrat Wilhelmshaven und Sprecher der Ratsgruppe GUS

Woher soll das Geld kommen für Klimaschutz, Daseinsvorsorge und auch für die massiven Folgen, die die Corona Katastrophe für unseren Haushalt hat?
Wilhelmshaven muss sparen, aber bitte mit Verstand. EU, Bund und Niedersachsen bieten Förderprogramme, es gibt eine Reihe von Dingen, die Kommunen mit kleinem Geldbeutel auch ohne große Investitionen in Gang setzen können.

Seit 2015 hatten optimistische Meldungen überwogen: Bundesweit wurden Überschüsse der Einnahmen über die Ausgaben vermeldet. Die Stabilisierungshilfe des Landes für Wilhelmshaven dient der langfristigen Entschuldung, auch wenn wir mit eigenen Sparmaßnahmen, Schuldentilgung und sehr hohen Abgaben für unsere Bürger*innen und Gewerbetreibende, einen hohen Preis zahlen.

Wilhelmshaven konnte Investitionen auf- und Schulden abbauen.

Seit dem Beginn der Pandemie vor ca. einem Jahr ist es damit vorbei. Steuereinnahmen, vor allem bei der Gewerbesteuer brechen weg, unsere kommunalen Einrichtungen von der Kita bis zum öffentlichen Nahverkehr müssen gestützt werden, ungeplante Ausgaben wurden fällig.
Hektische Aktivität kennzeichnete die ersten Wochen und Monate. Länder schraubten am Haushaltsrecht und erlaubten der Kommunalaufsicht, ihre Prinzipien für eine Weile zu vergessen. Die ersten zugesagten Unterstützungen waren von sehr kurzfristiger Natur, oft wurden fällige Zahlungen nur vorgezogen oder rückzahlbare Hilfen versprochen.
Wir in Wilhelmshaven haben früh reagiert und den Gewerbetreibenden viele Optionen wie Stundungen, Zahlungsaussetzungen, Vorauszahlungsrückzahlungen und Millionenschwere Soforthilfen gewährt. Mehrere Millionen die uns im Haushalt fehlen.

Im Juni beschloss die GroKo ein Konjunkturpaket, damit war die Struktur vorgegeben: Der Bund übernahm die Hälfte der Gewerbesteuerausfälle und erwartet das die Länder die andere Hälfte beisteuern. Im Paket waren ausserdem Mittel für Krankenhäuser, Gesundheitsämter, öffentlichen Personennahverkehr, Investitionsförderung und Digitalisierung enthalten.
Ein Blick auf die Rahmenbedingungen zeigt, dass es eng wird. Denn Bund und Länder haben sich mit Soforthilfen und Konjunkturmassnahmen enorm verschuldet. Kaum denkbar, dass das Geld in diesem und im folgenden Jahr noch locker sitzen wird. Unsere schöne Stadt wird auch in den Haushaltsjahren 2021 und 2022 vor ähnlich großen Problemen stehen wie im Vorjahr. Ob die Steuereinnahmen schon in diesem Jahr deutlich steigen, ist noch fraglich.
Dies hängt nicht nur vom weiteren Verlauf der Pandemie ab, auch die Folgen des ersten Corona-Jahres sind noch nicht überstanden. Unternehmen haben trotz Auftragsrückgänge ihre Gewerbesteuervorauszahlung für 2020 nicht gekürzt. Wo genügend Liquidität besteht, für die es von der Bank nichts gibt, sind die Zinsen vom Finanzamt bei einem späteren Rückerstattungsanspruch attraktiver. Wie groß die Insolvenzwelle wird, die der Pandemie folgt, kann noch niemand seriös voraussagen, ebenso wenig, ob und wie schnell sich die Fahrgastzahlen im öffentlichen Nahverkehr, der Tourismus oder die Kulturbetriebe erholen werden.
Bundesfinanzminister Scholz hat bereits erkennen lassen, dass er weitere Hilfen des Bundes für die Kommunen nicht leisten will, er sieht die Länder in der Pflicht. Nur wenige Länder haben erkennen lassen, in welchem Umfang und mit welcher zeitlichen Perspektive sie den Kommunen in Zukunft unter die Arme greifen wollen.

Wir Ratsmitglieder der Gruppe Grün-Unabhängig-Sozial kritisieren diese Unklarheiten auf das Schärfste. Es geht doch um die wichtige Haushaltsplanung, nur eine gute Planung ohne verbindliche Zusagen ist nicht wirklich möglich.
Unsere Gruppemitglieder meinen, dass sich Wilhelmshaven keine Illusionen machen darf. Sicher wird die ein oder andere Geldspritze noch kommen, doch wäre es vermessen zu erwarten, dass wir ungeschoren aus dieser Finanzkrise herauskommen.

EU, Bund und Länder haben Hunderte von Milliarden aufgewendet und sich auf Jahrzehnte verschuldet, die Rückzahlung wird ihre Haushalte lange belasten. Die engeren Finanzspielräume kommen auch auf der unteren Ebene an, über die Finanzausgleichssysteme und über reduzierte Förderprogramme.
Wir in Wilhelmshaven verweisen darauf, welche Bedeutung unsere Investitionen für die Konjunktur und die Sicherung unserer Zukunft haben.
Uns von der GUS ist es wichtig, den Haushalt zielorientiert auf Themen wie Klimaschutz, Verkehrswende, gute Schulen und eine soziale Infrastruktur auszurichten.
Kommunalpolitik in Deutschland ist gesetzlich gefordert, den Haushalt politisch zu steuern. Der Rat sollte strategische Ziele festlegen, die sich insbesondere auf den Haushalt beziehen. Wir fordern die Einführung eines wirkungsorientierten Haushalts und eine qualitative Aufgabenkritik.
Trotz solcher Vorgaben durchforstet Politik bei Haushaltsberatungen den Haushalt immer noch mühsam nach einzelnen Haushaltsstellen, um Deckungen für die Einzelanträge zu finden. Denn die Botschaft seitens der Verwaltung lautet: „Alles sehr knapp, für politische Geschenke ist kein Platz.“
Unsere Losung hat sich nicht geändert. Während und vor allem nach der Pandemie gilt

Es gibt keinen Planeten B!

Oft kapitulieren wir vor den vielen Zahlenreihen und dem Gefühl, den Wald (Haushalt) vor lauter Bäumen (Haushaltsstellen) nicht mehr zu sehen. Das Wunder, welches wir alle schon erlebt haben: wenn die Verwaltung etwas finanzieren will, findet sich immer irgendwo Geld im Haushalt.
Auch wenn mit dem Wirkungsorientierten Haushalt die Ressourcen schon sehr gut gebündelt werden können, sollte zusätzlich für künftige Haushalte eine qualitative Aufgabenkritik durchgeführt werden. Wo stecken noch Haushaltsmittel, die nicht mit dem Klimaschutz vereinbar sind oder der Verkehrswende entgegenstehen? Wo Gelder, die den Aufbau einer sozial gerechten Infrastruktur und die Sanierung der Bildungseinrichtungen behindern?
Wir fordern die Verwaltung auf, eine solche Zusammenstellung vorzunehmen. Aufwendungen, zum Beispiel für den Autoverkehr, sollten schrittweise auf null zurückgeführt werden, soweit sie nicht gesetzlich vorgegeben sind, wie das etwa bei Strassenunterhaltung der Fall ist.

 

Optimistisch in die Zukunft

150 Jahre Stadtgeschichte haben den Bürgerinnen und Bürgern unserer Stadt viel abverlangt. Kriege und Diktaturen, Finanzkrisen, Wirtschaftskrisen und auch Pandemien. Wir sind aufgestanden, haben uns geschüttelt und mit neuem Tatendrang und Zuversicht das vor uns liegende angepackt und gemeistert.

So blicken wir auch auf die vor uns liegende Haushaltssatzung mit ihren Herausforderungen, Möglichkeiten und Chancen. Wir können optimistisch in die Zukunft schauen und sehen nicht nur Licht am Ende des Tunnels, nein wir werden ganz bald wieder schwarze Zahlen schreiben und unseren Verpflichtungen zur Haushaltskonsolidierung und Schuldentilgung unvermindert nachkommen. Wir demokratisch gewählten Vertreter*innen haben nicht nur das Recht einen Haushalt zu entwerfen und zu beschließen. Wir haben auch die Pflicht, Optimismus und Zuversicht in unsere Gesellschaft zu tragen.

Die Haushalte 2021 und 2022 versetzen uns trotz großer Anspannungen in die Lage, Großes zu bewegen. Wir bauen u.a. Schulen und fördern die Wirtschaft. Der weitaus größte Teil unserer Haushaltsmittel geht in die Sozial- und Jugendhilfe, wir lassen die Menschen in unserer Stadt nicht im Stich und federn ihre Sorgen und Nöte ab. Wir setzen alle unsere Möglichkeiten ein, um die große Not zu lindern. Wir werden unseren Einsatz für die wirtschaftlich Schwächeren weiter steigern und jede sich bietende Möglichkeit nutzen, ihre Lebenssituation zu verbessern.

Mit dem Stellenplan wird die Verwaltung in die Lage versetzt, die vielen kommunalen Aufgaben und Herausforderungen zu meistern. Viele Bedienstete und Mitarbeiter*innen im Konzern Stadt Wilhelmshaven haben es uns mit ihrem Einsatz in den vergangenen schweren Monaten gedankt und sie werden auch weiterhin alles in ihrer Kraft liegende, teilweise weit über das Limit hinaus mögliche leisten. Es gibt keine angemessenen Worte, um unsere Dankbarkeit gebührend zum Ausdruck zu bringen und doch von Herzen ein DANKE.

Wir von der GUS sind und bleiben in unseren Gedanken und Herzen bei den vielen Bürger*innen und Bürgen die einen geliebten Mitmenschen verloren haben, bei all denen die schreckliches durchmachen mussten und noch immer unter den Folgen leiden und auch bei alle denen die sich Tag täglich einbringen und aufopfern, um zu helfen und Leid zu lindern.
Mit unserer Zustimmungen zum Doppelhaushalt leisten wir im Rat das UNSERE, um unsere Stadt für unsere Bürgerinnen und Bürger handlungsfähig zu machen und die Weichen für eine gute und lebenswerte Zukunft in der Grünen Stadt am Meer voranzutreiben.

Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit