Grüne fordern Ausstieg aus der Öl- und Gasförderung in Niedersachsen

Nach der jahrelangen Leckage bei der Erdölförderung in Emlichheim (Grafschaft Bentheim) haben die Grünen im Landtag per Anfrage vom Wirtschaftsministerium eine Schadensliste der Öl- und Gasförderung in Niedersachsen erstellen lassen. Die nun vorliegende Liste nennt 149 Schadensfälle der Öl- und Gasförderung in den vergangenen 10 Jahren. Diese Liste zeigt: Leckagen sind keine Einzelfall. Im Schnitt kommt es alle drei bis vier Wochen in Niedersachsen an einer Förderstelle zu einem Störfall, obgleich die Fördermengen kontinuierlich sinken. Aus Sicht der Grünen ist es deshalb Zeit, zum Schutz des Grundwassers die Förderung in Wasserschutzgebieten zu stoppen, alle derzeit noch aktiven Förderstellen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen und den Ausstieg aus der Förderung einzuleiten.

Imke Byl
Imke Byl, umweltpolitische Sprecherin der GRÜNEN im Nds Landtag | Foto: Brauers

ZitatDie von uns eingeforderte Liste der Störfälle bei Gas- und Ölbohrungen steht im krassen Gegensatz zur Risikoeinschätzung der Landesregierung: Leckagen sind eben keine Einzelfälle. Jetzt müssen SPD und CDU endlich den Weg dafür freimachen, dass in Wasserschutzgebieten künftig weder Öl noch Gas gefördert werden. Für alle aktuellen Förderstellen brauchen wir endlich die Pflicht zur Umweltverträglichkeitsprüfung. In der Verantwortung der Groko liegt es, den Schutz von Mensch und Umwelt über die Förderinteressen der Industrie zu stellen! Die Energiewende erfordert den Ausstieg aus der Förderung von Öl- und Gas – und nicht dass eine Landesregierung ständig neue Förderanlagen zulässt.“

In mindestens 26 Schadensfällen wurde das Grundwasser verunreinigt, sodass das Grundwasser gereinigt oder saniert werden musste. Das widerlegt die Aussagen des Umweltministeriums, es gebe keine Hinweise auf eine „verallgemeinerbare, generelle Gefährdung“ durch Gas- und Ölbohrungen auf das Grundwasser in Niedersachsen. Mit dieser Begründung lehnen Umwelt- und Wirtschaftsministerium bislang eine allgemeine Pflicht für eine Umweltverträglichkeitsprüfung für die Öl- und Gasförderung ab.

Foto: Chris LeBoutillier@pixabay

Die geförderten Mengen von Öl- und Gas in Niedersachsen sind rückläufig und trotzdem liegt die Zahl der Schäden und Leckagen weiter auf hohem Niveau. Auch die Verschärfung der Sicherheitsanforderungen an die Förderindustrie hat nicht zu einer Verminderung der Schäden geführt. Eine Ursache ist sicher das hohe Alter der Anlagen. Ein Beispiel: Die Öl-Bohrung Emlichheim 132 wurde im Jahr 1954 niedergebracht. Trotz wechselnder Nutzungen wurde das äußere Förderrohr nie ausgetauscht.

Die lange Schadensliste zeigt, dass Leckagen im Zusammenhang mit der Öl- und Gasförderung leider keine Einzelfälle sind. Um die schlimmsten Schäden für Gesundheit und Umwelt noch zu verhindern, müssen immer wieder unzählige Kubikmeter Boden ausgebaggert, Ölteppiche abgesaugt und Bäche und Grundwasser abgepumpt werden. Das Landesbergamt betont immer wieder, dass Umweltrisiken durch die hohen Genehmigungsstandards praktisch ausgeschlossen sind. Die Schadensliste belegt das Gegenteil.

Bei den Genehmigungsverfahren des Landesbergamts muss der Schutz von Umwelt und Gesundheit oberste Priorität bekommen. Bohrungen in Wasserschutzgebieten sowie vor der Küste im niedersächsischen Wattenmeer sind zu untersagen. Für alle verbleibenden Fördervorhaben muss eine Prüfung der Umweltverträglichkeit verbindlich vorgeschrieben werden. Entsprechende Forderungen der Grünen im Landtag werden von der rot-schwarzen Landesregierung bislang jedoch blockiert.

Auswertung der Antworten der Landesregierung

Anlass der Anfrage: Die Lagerstättenwasser-Leckage im Ölfeld Emlichheim ist der größte Schadensfall der Öl- und Gasförderung In Niedersachsen. Nun plant Wintershall in Emlichheim neue Förder- und Einpressbohrungen, doch das Landesbergamt (LBEG) fordert für keine der Bohrungen eine Prüfung der Umweltverträglichkeit. Das hat die Landesregierung auf unsere Anfrage nun abschließend bestätigt.

Die vom Landeswirtschaftsministerium vorgelegte Liste nennt 149 Schadensfälle der Öl- und Gasförderung in den letzten 10 Jahren, die Schäden an Leitungsnetzen, Betriebsplätzen und Bohrungen umfasst (siehe auch tabellarische Auswertung).

Schadensfälle unverändert auf hohem Niveau

  • 2009 und 2010 gab es je 5 Störfälle landesweit.
  • 2013, 2015 und 2018 wurden je 18 Schadensfälle verzeichnet.
  • Der Spitzenwert wurde 2012 mit 20 Schäden erreicht.
  • Im laufenden Jahr 2019 liegt die Zahl der Schäden bereits bei 15 (Die durchgerosteten Förderrohe bei Em 132 und 51 werden von der Landesregierung als ein Schaden dargestellt).
Förderanlage
Foto: ptra@pixabay

Da sich Gas bei Leckagen in der Luft verflüchtigt, betrifft der Großteil der aufgeführten Fälle Austritte von Nassöl (Rohöl mit Lagerstättenwasser vermischt) sowie von Lagerstättenwasser. Es gab aber auch Leckagen von gesundheitsgefährdenden Stoffen Quecksilber, Sauergas, Schwefelwasserstoff.

Die ausgetretenen Mengen umfassen teils nur Tröpfchenmengen, teils wurden aber auch erhebliche Mengen wassergefährdender Stoffe freigesetzt:

  • Juni 2014: 150 Kubikmeter Nassöl (= 150.000 Liter) bei einem Leitungsleck im Erdölfeld Georgsdorf der Firma Exxon in der Grafschaft Bentheim
  • Dezember 2014: 1.600 Kubikmeter (=1.600.000 Liter) Lagerstättenwasser aus einer unterirdischen Leitung nahe des Betriebsplatzes Eldingen der Firma Exxon in der Gemeinde Steinhorst (SG Hankensbüttel, LK Gifhorn)
  • Für Em 132 führt die Landesregierung 220.000 Kubikmeter auf – der Wert, der bislang als Höchstwert genannt wurde.

Die Schäden lassen sich den jeweiligen Betreibern zuordnen – Exxon ist der führende Verursacher, mit 91 Schadensfällen.

Antwort KA Störfälle Öl- und Gasförderung Niedersachsen